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Produktehaftung und der McDonald's Fall

Interessanter Ansatz, das Zölibat mit Anreizen einer Marktwirtschaft zu Vergleichen. Allerdings ist das Beispiel der Produktehaftung anhand des McDonald's Gerichtfalles falsch:
So hat ein Autofahrer in den USA eine Millionenklage gegen McDonald’s gewonnen, weil er sich den Pappbecher Kaffee beim Autofahren zwischen die Beine geklemmt und sich beim Bremsen Verbrennungen geholt hatte. Grund: McDonald’s hatte nicht darauf hingewiesen, dass so etwas passieren könnte. Unter solch absurden Fällen leidet letztlich die Allgemeinheit, indem sich die Produkte verteuern, weil sie mit kiloschweren Gebrauchsanweisungen verkauft werden. Diese weisen nämlich auf alle nur erdenklichen Gefahren des Produktes hin, um eine mögliche Haftung auszuschliessen. Profiteure sind einzig die Anwälte, für welche die Produkthaftung eine willkommene Wirtschaftsförderung ist.
Dieser inzwischen berühmte Fall hat sich etwas anders zugetragen als von Gegnern der äusserst effektiven amerikanischen Produktehaftung so gerne kolpotiert wird. Die 79 Jahre alte Stella Liebeck hat sich durch das Ausleeren eines McDonald's Kaffees Verbrennungen dritten Grades an Schoss, den Oberschenkeln und Gesäss zugezogen und musste acht Tage hospitalisiert und weitere zwei Jahre behandelt werden. Die Dame wollte Schadenersatz für US$ 20'000 Arztrechnungen, McDonald's bot US$ 800. Im Prozess wurde bewiesen, dass McDonald's das Problem durch 700 Reklamationen bekannt, ihr Kaffee 20 Grad Celsius heisser als andere war und ihre Kunden zuwenig über ihren abnormal heissen Kaffee informiert hat. Das Gericht befand McDonald's zu 80% und Liebeck zu 20% schuldig und sprachen letzterer US$ 160'000 Schadenersatz sowie US$2.7 Millionen Entschädigung zu. Der Richter reduzierte letzteres auf US$ 480'000; sodass Liebeck total US$ 640'000 erhalten hätte. Liebeck und McDonald's gingen in Berufung und regelten die Sache schliessen aussergerichtlich (wahrscheinlich ungefähr im Rahmen des Richterentscheides). Dieser Fall ist ein Beispiel, wie die amerikanische Produktehaftung erfolgreich funktioniert. Man kann zwar annehmen, dass Kaffee heiss ist - nicht aber Verbrennungen dritten Grades bewirkt. Auch gab McDonald's zu, dass ihre Kunden den Kaffee vorwiegend unterwegs konsumieren und der Hinweis auf dem Becher bloss eine Erinnerung und keine Warnung vor der Gefahr ist. Wenn mir ein Kaffe mit einer Temparatur von 85-90 Grad Celsius (wie im Handbuch von McDonald’s verlangt) serviert würde, würde ich mir den Mund auch kräftig verbrennen.
Dass ein Hersteller für fehlerhafte Produkte bzw. damit verbundene Gefahren haftet, ist zunächst mal sinnvoll, da solch eine Haftung die Firmen zu einer gewissen Sorgfalt in der Produktion zwingt. Doch gleichzeitig wird damit ein Anreiz gesetzt, die Haftung für alle Unfälle und sonstigen Schäden auf den Hersteller abzuwälzen.
Diese Produktehaftung ist kein Verbot, sondern ein Gebot an Firmen, sichere Produkte herzustellen. Anstatt jeden Bereich einzeln zu regulieren (wie heiss darf eine Tasse Kaffee sein), wird die Austarierung des Schutzbedürfnisses der Konsumenten gegenüber den Firmen einem Markt (ja, mit Anwälten und Richtern) überlassen. Dies ist sehr Effektiv, weil es den Gesetzgeber entlastet und erwiesenermassen zu sicheren Produkten führt.

Übrigens: US$ 2.7 Millionen entsprechen etwa dem Umsatz mit Kaffee den McDonald's in zwei Tagen macht. Unverhältnismässig?

Comments

Anonymous said…
Habe mir auch schon bei so manchem USA-Besuch gewünscht, dass mir etwas ähnlich dummes passiert und ich munter drauflos klagen kann. Ist bisher zum Glück nicht dazu gekommen, will ja eigentlich auch nicht verletzt werden. Aber diese Entschädigungssummen sind schon der Hammer. Da weiß man auch warum mittlerweile alles mit Warnungen zugepflastert ist.
Anonymous said…
Das ist nicht effektiv, das ist absurd. Kaffee wird üblicherweise mit kochendem Wasser aufgegossen; dementsprechend istr frischer Kaffee bis zu 100 Grad C heiss (normalerweise etwas kälter, kann aber theoretisch so heiss sein).
Sollte jeder Depp wissen. Selbst wenn nicht: Selbst meine zweijährige Tochter probiert bei üblichweise warm konsumierten Getränken vorher, ob die Temperatur passt.
Das ganze amerikanische Haftungstheater führt auch nicht zu sichereren Produkten, sondern zu bescheuerten Sicherheitshinweisen, blödsinnigen Sicherheitsgimmicks (der Summer im Auto, wenn man nicht angeschnallt ist z.B.) und damit letztendlich zur totalen Verblödung der Verbraucher ("stand nicht drauf, konnte ich nicht wissen").

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