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Per SMS abstimmen - eine unnötige und gefährliche Irrfahrt

Heute in der Tagesschau: In drei Zürcher Gemeinden soll bald erstmals in einem Pilot per SMS abgestimmt werden können. Ich halte das für eine unnötige und gefährliche Schnapsidee:

1) Es gibt keinen unabhängigen Papierbeweis mehr. So kann bei kappen Entscheiden oder Unstimmigkeiten nicht mehr nachgezählt werden. Eine Manipulation des Systems ist nicht beweisbar.
2) Die Annahme, dass nur mit der Möglichkeit per SMS seine Stimme abzugeben, eine höhere Wahlbeteiligung resultiert, ist illusorisch: Untersuchungen zeigen, dass gerade die adressierten jungen Wähler nicht abstimmen, weil sie politsch einfach nicht interessiert sind. Abgesehen davon ist mit der brieflichen Abstimmung bereits eine einfache und sichere Möglichkeit zur Stimmabgabe vorhanden. Weshalb etwas "einfacher" machen als unbedingt nötig?
3) Eine elektronische Wahl (welcher Art auch immer) kann keine Anonymität mehr gewährleisten. Irgendwie muss ja sichergestellt werden, dass nur Berechtigte nur einmal die Stimme abgeben. Da Authentisierung und Authorisierung mit dem Wahlsystem gekoppelt sein müssen (um zu prüfen ob jemand schon gewählt hat) kann einfach nachvollzogen werden, wer was wann wie abgestimmt hat.
4) Die Systeme sind unter Kontrolle von einigen wenigen, die diese kennen (Spezialisten). Ein traditionelles Wahlsystem zu untersuchen ist sehr einfach (und nachprüfbar). Ein elektronisches System, dessen Code und Architektur nicht offenliegt kann nicht vertrauenswürdig sein.

Ich bin ja selber in der IT-Branche tätig und durchaus Technik-begeistert. Allerdings soll diese sinnvoll und vorallem zum Nutzen eingesetzt werden. Abstimmen und Wählen per SMS oder Internet gehören nicht dazu, weil die Kosten immens, der Nutzen fraglich und der Verlust der Anonymität die demokratische Grundprinzipien gefährdet.

Ich werde nie elektronisch wählen. Eher wähle ich nicht mehr.

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